Perry Rhodan und die Religion
Stichworte und Anmerkungen zu einer selten gestellten Frage
Referat anläßlich des Perry Rhodan Kongresses in Österreich
17. - 18. 10. 1998 Gleinstätten, Stmk
gehalten von Mag. Herwig Hohenberger
Ich habe die Aufgabe übernommen, die Perry Rhodan Serie und die Frage nach Religion durchzusehen.

Eigentlich ist es eine Frechheit, daß ich nach so vielen Jahren dieser Serie jetzt hergehe und das Verhältnis von PR und Religion, Gott, Christentum ... darzustellen versuche.

Aber ich bin halt gefragt worden und hab mich dafür entschieden, also mach ich es.

So möchte ich Ihnen heute ein paar Stichworte eines Theologen und betroffenen Lesers zu dieser Thematik geben. Ich muß mich entschuldigen: Ich habe es nicht geschafft, für dieses Referat die ganze Serie noch einmal zu lesen - vieles ist daher aus der Erinnerung - so bestehen halt eine Reihe von Lücken.
Was ist Religion? - Aus dem Lexikon: Religion ist die weltweit verbreitete Verhaltensweise von Menschen angesichts des für den Einzelnen und die Gesellschaft Heiligen. Diese Verhaltensweise gründet sich auf subjektive wie kollektive Einstellungen und / oder Erfahrungen wie die Übermächtigkeit oder Höherwertigkeit des Heiligen gegenüber den Menschen; die Formen der Verehrung und / oder der Kontaktaufnahme mit dem Heiligen sind z.B. Gebet, Opfer, Kult ...

Es geht also bei Religion um die Frage der Verhaltensweise von Menschen im Hinblick auf das jeweils für den Menschen Heilige.

Aber, so erhebt sich die Frage: "Was ist den AutorInnen der PR-Serie heilig?"

Abenteuer in Fortsetzung

Ich hebe heuer ein Jubiläum: 30 Jahre Perry Rhodan Leser. Ein Blick zurück:
Als ich vor 30 Jahren als 12-jähriger mit den ersten Heften der 3. Auflage einstieg, faszinierte mich das Abenteuerhafte ausgehend von der möglichen, fast realen in die ferne Zukunft. Zuerst war es so etwas wie Old Shatterhand (= Perry Rhodan, später kam noch Winnetou = Atlan dazu) im Weltraum.
Abenteuer, Spannung und die Tatsache, daß immer wieder "Fortsetzung folgt" zu lesen war, hielten mich am Lesen.

Mit Beginn des kosmischen Rätsels, dem Auftauchen von ES und dem Versprechen der Unsterblichkeit erfaßte mich ein Schauder und die Frage: "Wer ist ES? Ist ES Gott?" ES ist immerhin ein Wesen, das Unsterblichkeit verleihen kann. Selbst Perry Rhodan und seine Gefährten wurden damals von diesem Schauder erfaßt - und nichtsdestotrotzdem mit der Zelldusche gesegnet.

ES hat so etwas wie Allmachtsqualitäten: Alle Wesen (der Völker, die zur Superintelligenz wurden) sind in ihm vereinigt, er alles Wissen, er hat (fast) alle Möglichkeiten, wenn man ihn konsequent um Hilfe ruft, bittet ("betet"), hilft er auch ... erst später stellt sich heraus, daß dem nicht so ist.
Im Prinzip gehen die Schreiber der Perry Rhodan zunächst der Frage nach Gott, Religion konsequent aus dem Weg.

((Ich meine das jetzt nicht als Kritik an den Autoren, aber ich denk mir, es ist
ein heißes Thema
es ist nicht unbedingt ihr Aufgabe, Gott zu denken und zu beschreiben, sondern eine spannende, möglichst vielen Lesern gefallende SF-Historie zu verfassen, (in der die Frage nach Religion ja nur ein Teil ist). Was ihnen ja auch gut gelungen ist - ich lese immer noch PR.))
Am Anfang ist es also eine Abenteuerserie, in der hauptsächlich Kampf, Verteidigung gegenüber fremden Mächten im Vordergrund stehen. Es ist so etwas wie ein schaumgebremster Jahwekrieg, eine Art heiliger Krieg, der allerdings immer nur zu Verteidigungszwecken dient.

Wie es K.H. Scheer im "Werkstattband" so schön beschreibt, geht es vornehmlich um Science und Fiction, das allerdings sehr spannend und gut beschrieben.

Schwarz - Weiß mit christlichem Hintergrund
Im Zentrum steht Perry Rhodan mit seinen "immerguten" Terranern. Sollten die mal ausnahmsweise nicht "gut" sein, bringt sie Perry rasch zur Räson - andere Völker erhalten von ihm ebenso die Chance, sich zum "Guten" zu bekehren - wenn sie das tun, ist alles eitel Wonne und die Leser können gefaßt dem nächsten Zyklus und dessen Gefahren ins Auge blicken.
Perry Rhodan - der hehre Held, der selbst in aussichtslosen Situationen noch dem (manchmal übermächtigen) Gegner die Hand reicht und eine Chance zum Einlenken und zur Gewaltfreiheit gibt. (siehe Old Shatterhand im Weltraum).
Die Ethik die der Perry Rhodan Serie zugrunde liegt, ist unzweifelhaft christlich: kein Wunder, sind doch die AutorInnen Menschen des christlichen Abendlandes.
Christliche Ethik und Moral im Hintergrund

Doch Perry Rhodan hält sich konsequent aus dem Christentum heraus, obwohl christliche Vorstellungen im Hintergrund sind. Es gibt aber keine Auseinandersetzungen mit dem Christentum - eigentlich auch nicht mit anderen Weltreligionen (wenn ich es richtig sehe: Dalaimoc Rorvic, der tibetische Buddhist: er meditiert - das hilft ihm in seiner Paragabe).

Was dagegen deutlich zu sehen ist, ist der Einfluß religiöser Vokabel sind die Serie (Upanischaden, Vishna, Panthaura = Pandora, CheF = sieht aus, wie manche von uns sich den Teufel vorstellen u.a. ...) und die Aufnahme von Sekten bzw. sektiererischen Praktiken.
Besonders in letzter Zeit, als die Sektenfrage im deutschsprachigen Raum deutlicher geworden ist, tauchen immer mehr fanatische Einzelgruppierungen ... auf.
Die Perry Rhodan Serie ist eben auch ein Kind ihrer Zeit - die Autoren können sich dem Zeitgeist und den Hauptthemen der jeweiligen Zeit nicht so einfach enthalten.

Es kommen in der Serie immer wieder mal alte heidnische Religionsformen vor (auch bei extraterrestischen Lebewesen) - aber das Christentum wird als solches nicht deutlich (Spanndend ist auch z.B.: Atlan begegnet im Lauf seines langes Lebens so ziemlich allen und jedem - Jesus Christus begegnet er nicht, zumindest soweit ich weiß).
Und Esoterik!

Esoterik bedeutet: "das nach innen gewandte, das Geheime" und meint, geheimes Wissen um ganzheitliche Zusammenhänge: Das kann mit Heilung und Gesundheit zu tun haben, wie auch mit Macht und Einfluß, mit Kontakt zum Heiligen, zum Göttlichen und natürlich auch mit Techniken, die dazu dienen.
Schon in PR Band 6 beginnt mit der Zusammenführung des Mutantenkorps ein großer Strang in diese Richtung. Bis heute werden wissenschaftliche Forschungen über die Möglichkeit der Telepathie, Telekinese u.a. gemacht. Die heutige Esoterik hat sich zwar in eine Exoterik verwandelt, aber es geht in vielen Fällen um Fähigkeiten, die denen des Mutantenkorps ähneln, die angepriesen werden. (Heilung: Irmina Kotschistowa (Metabiogruppiererin), Gedankenlesen: John Marschall, Gucky; Böses wünschen können: Iwan Iwanowitsch Goratschin, ...)
Patulli Lokoshan: Erbgott Lulloq; Alska Saedelaere und Kytoma, Callybso ...
Ein häufiges Motiv: PR und seine Gefährten entdecken Menschen oder Wesen, die als Priester, Schamanen, Hexen ... eine Reihe von Gaben haben, die den Wünschen der Esoterik nahekommen.

Es geht sogar so weit, daß Grundaussagen der Esoterik (etwa: wir sind alle Teil des Göttlichen Energieozeans, wir müssen nur die richtige Technik verwenden, um dorthin zurückzukehren und wie Gott oder das Göttliche zu sein).
Ich denke da an Zusammenhänge der Tiefe, der Lebenskraft, die dort zur Verfügung steht --- und komme zur Frage nach dem moralischen Kode: ist dem Universum ein moralischer Kode eingenistet und damit der Gegenpol zur Religion. ((Oder: Arresium - Parresium (Leben gegen Nichtleben???))
Diese erübrigt sich, wenn der moralische Kode, vorausgesetzt, er funktioniert und allen zur Verfügung steht --- aber zum Glück gibt es da ja noch das Böse....
Die Aufklärung holt auch das Perry Rhodan Universum ein:

Doch stehen im Hintergrund immer auch Fragen, die die Menschen seit alters her und in Zukunft noch stellen:
"Wo kommen wir her? - Wo gehen wir hin?" - "Gibt es Leben außer uns?" - S"ind wir am Gängelband eines höheren Wesens oder sind wir entscheidungsbefugt und selbstbestimmt?" - "Sind wir geschaffen oder entstanden, Zufallsprodukt oder geplant - oder wie?"
Damit beginnt in der Perry Rhodan Serie die reflexive Aufarbeitung der vorher gemachten Aussagen. D.h. eigentlich macht es die Beantwortung der zuvor getätigten Aussagen nötig, Antworten zu finden, die in sich logisch und schlüssig sind.
Die Entwicklung des "Volz´schen Zwiebelschalenmodells" (ich bezeichne es so, auch wenn ich weiß, daß viele andere AutorInnen dabei beteiligt waren) bedeutet so etwas wie einen Versuch, die Evolution und die Schöpfung miteinander zu denken, ohne eine endgültige Antwort zu wagen.
Und es bedeutet sozusagen den Beginn der Aufklärung im Perry Rhodan Universum: Die Frage nach Gott und die Grenzen des menschlichen Handelns wird weiter hinausgeschoben.
Dieses Modell ist geprägt von einem Dualismus, der in der christlichen Gnosis (beginnt schon Ende des 1. Jhts. n. Chr. und findet sich wieder in vielen neugnostischen Strömungen der heutigen Esoterik):

Bakterien - Insekten - Wirbellose - Menschen - intergalaktische Völkerbünde (Konzil der 7, Thoregon) - Superintelligenzen - Materiequellen (= Kondensation von Superintelligenzen + ihren Mächtigkeitsballungen) / Materiesenken ( = Black Hole der Mächtigkeitsballung) - Kosmokraten / Chaotarchen ( = Black Hole eines Universums) ... wer weiß was noch kommt?

Wir stehen derzeit an einem Punkt, an dem die Kosmokraten (ähnlich den alten griechischen Göttern des Olymp irgendwo herrschen), mit den Menschen aber fast kaum mehr direkten Kontakt aufnehmen können, sondern nur mit Hilfswesen (Porleyter, Ritter der Tiefe ....) oder selbst mit einem kleinen Teil ihrer wirklichen Gestalt (Taurec, Vishna, Tiryk ..)
Sind sie die Hüter des Gesetzes? Siehe 3. Ultimative Frage. ... Wie es den Anschein hat, könnte das Zwiebelschalenmodell noch weitergehen.
Jedenfalls gibt es Mächte, die Gutes wollen (Schwarm, Sporenschiffe) und es gibt andere, die es untergraben (Schwarmgötzen).
Ähnlich der Gnossis ist es in diesem Modell notwendig, eine Art Evolution zu beschreiten, damit man ans Ziel kommt (in der Gnosis = zu Gott zu kommen, evtl. Teil Gottes zu werden): Einem Lichtfunken gleich entwickelt sich das Wesen langsam empor um schließlich im Licht Gottes zu landen. Das ist sehr gefährlich, denn es gibt böse Mächte, die die Wesen daran hindern, aufzusteigen, die also Chaos und Unordnung erzeugen.
Die 3. Wege

Das Zwiebelschalenmodell ist in vielem dem der Gnossis ähnlich - es geht offenbar zunächst darum, sich zu entwickeln - offen ist, ob dies das einzige Ziel ist oder sein kann, denn es gibt im Lauf der Serie auch noch - zumindest ansatzweise - andere Wege, besonders der sog. "dritte Weg" (Thoregon und die ungewisse Frage, wer oder was die Helioten eigentlich sind schon vorher, als die drei Ritter der Tiefe kündigen).
Perry Rhodan findet sich inmitten dieser Evolutionsvorstellung, und nicht nur das:

Die Menschheit erhält die Chance, ihre Evolution voranzutreiben, um vielleicht auch mal eine Superintelligenz zu werden. Sie bekommt zunächst von ES 20000 Jahre, wenn ich mich recht erinnere, sich zu entwickeln, dazu die Zelldusche, dann die Zellaktivatoren - und sind so ein Hilfsvolk der Superintelligenz.
Doch spätestens seit dem Schwarm sind PR und die Menschheit mehr - sie sind Verbündete von ES, helfen ihm vor der Verdummung, gegen AntiES, gegen Estartu usw. sie werden Teil in diesem Spiel der Kräfte.
Doch immer mehr stellt PR fest, daß dieser Weg des Dualismus nicht alles sein kann, in den neuesten Bänden entstand der 3. Weg.
Ich sehe ihn aber schon vorher, wo PR und Genossen immer schon versuchen, IHREN Weg des Guten und Rechten zu gehen und sich von nichts und niemandem beeinflussen zu lassen - mit christlichem Hintergrund - ... mich würde es nicht wundern, wenn Perry Rhodan eines Tages den Kosmokraten oder noch "höher" stehenden Wesen erklärt, daß es "so nicht geht!"

Damit verlassen die AutorInnen den gnostischen Dualismus und öffnen den Weg für anderes und neues.
Interessante ethische Fragestellungen:

Zumindest im Ansatz interessante ethische Fragestellungen kommen immer wieder vor:
Organtransplantation, Mensch - Maschine (= Organe, Chips im Menschen)
Besonders interessant ist die Frage:

Was ist eine Positronik = ein Roboter, dem man Gefühle (durch einen Bioplasmazusatz) gibt - Posbis.

Oder umgekehrt:

Was ist der Mensch, wenn man ihm die Gefühle nimmt (Aphiliezyklus).
Die Autoren gehen, soweit ich mich erinnern kann, nur ansatzweise darauf ein, halten ihr Konzept auch nicht ganz durch, aber der Ansatz ist toll.
Mythisches, Mystisches, Mythologisches, Fantasy:

Ab 1300 - 1400 wird PR ganz fantasyhaft - ich gestehe, ich habe damals aufgehört, weiterzulesen.
Das hängt damit zusammen, daß vielerlei im PR-Universum von der Zeit beeinflußt ist, in der es geschrieben wurde. War es zu Anfang eben der Aufbruch zum Mond, der kalte Krieg, dann später eben Mystisches, Phantasievolles, dann wieder Fantasy, Aufgeklärtheit, Sektenfragen ...
Permanentes Wildern in Religion und Esoterik

Die AutorInnen der PR Serie wildern permanent in Esoterik, Religion und auch in der Geschichte - nur selten werden Zusammenhänge verquickt, manchmal religiöse Bilder (CheF = sieht wie Teufel aus) oder Worte (Pandora, Panthaura) einfach übernommen ohne den historischen oder religiösen Zusammenhang herzustellen (was allerdings im Sinne künstlerischer Freiheit durchaus legitim ist).
Aber ich denke, genau das, das Anreißen und Nennen von Namen, Begriffen, Bildern, die seltsam vertraut klingen, die Assoziationen bei den Lesern wecken, das Phantasievolle, und natürlich auch das Abenteuerhafte der Serie, die Auseinandersetzungen, und Tatsache, daß es in Fortsetzungen geschrieben ist, macht die Zugkraft von PR aus.
Ich kann die AutorInnen nur bewundern, über so lange Zeit so eine Serie zu machen.
Es war ja auch nicht der Sinn der Serie, einen klaren Standpunkt zu Religionsfragen einzunehmen.
Was die AutorInnen bisher noch nicht gesagt, bzw. geschrieben haben, werden sie vielleicht noch tun - vor allem, wenn die LeserInnen intensiv genug intervenieren.
Dann haben nämlich Perry Rhodan AutorInnen dasselbe Problem wie wir Theologen, nämlich das Heilige und den Umgang mit dem Heiligen durch die verschiedenen Völker des PR Universums zu beschreiben.

Das ist sicherlich nicht einfach, kann aber ungemein spannend werden.

Dazu wünsche ich den AutorInnen Mut und uns LeserInnen viel Spaß.
Herwig Hohenberger

E-Mail: herwig.hohenberger@kfunigraz.ac.at